Niemand wollte mich haben...
Hallo, ich bin’s, der Raiko!
Irgendwann fanden sich meine beiden Geschwister und ich in der Notaufnahmebox von Michael wieder, der uns zum Glück ganz schnell befreite. Schön war es bei Michael. Unsere Futterschüssel war immer gut gefüllt, Spielkameraden gab es genug, wir mussten uns vor nichts und niemandem fürchten. Manchmal wäre es schön gewesen, wenn etwas mehr Zeit für Streicheleinheiten geblieben wäre, denn diese genoss ich sehr.
Eines Tages schmeckte das Frühstück nicht mehr, der Hals tat weh und überhaupt fühlte ich mich nicht wohl. Ich wurde krank, sehr krank. Michael machte mir immer wieder Mut, erzählte mir, es würde sich lohnen zu kämpfen, auf mich würde ein schönes Leben in Deutschland warten und ich kämpfte und Michael half mir dabei. Ich wurde wieder gesund!
Immer wieder wurden Hundekumpels ins Auto gepackt, fuhren mit Michael weg und kamen nicht mehr zurück. Die haben jetzt eine Familie, erzählte Michael. Auch meine beiden Geschwister hatten schon eine Familie, was immer das auch ist, nur mich wollte niemand haben.
Manche behaupteten sogar, ich sei hässlich. Auch wenn sie das nicht böse meinten, ein bisschen traurig war ich schon. Wollte mich vielleicht deshalb niemand haben?
Inzwischen war ich bereits über 8 Monate alt und längst zu groß und zu erwachsen für unser Welpenrudel. Die Kleinen waren manchmal ganz schön nervig.
Eines Tages macht Michael mich reisefertig und ich sollte auf eine Pflegestelle nach Deutschland gehen. Was war nun wieder eine Pflegestelle, mir war das nicht geheuer. Ich war in der ganzen Zeit bei Michael unbeschwert und fröhlich, doch nun hatte ich nur noch Angst, als ich dann auch noch mit fremden Menschen weiter fahren musste, wurde meine Angst zur Panik.
Mehrfach musste ich umsteigen, andere Menschen, ungewohnte Stimmen, es war so furchtbar, bis eine ganz liebe Stimme mir zuflüsterte, “habe keine Angst, auf Dich wartet eine liebe Pflegefamilie, alles wird gut”. Sie streichelte mich und ganz langsam hörte ich auf zu zittern. Das Gestreichelt-werden war auch ganz angenehm.
Für mich und einen Hundekumpel war Endstation bei einem Mann, der wohl “meine Pflegefamilie” war. Für meinen Kumpel war es das Zuhause. Den Unterschied begriff ich nicht ganz, aber ich hatte Angst, traute mich nicht unter dem Tisch hervor, während sich mein Hundekumpel sofort sehr heimisch fühlte.
Wo war nur die freundliche Stimme geblieben? Sie sagte mir doch, alles würde gut werden. Hier war aber nichts gut. Wir mussten ins Freie, der “Pflegemann” sagte was von Pippi. Das war zu viel. Ich wollte nicht raus, ich hatte Angst und vor lauter Panik riss ich mich los und verkroch mich unter einem Auto. Irgendwann zog mich jemand unter dem Auto hervor und dann wurde ich zu einer “Pflegefrau” gebracht, wo noch ein sehr großer Hund lebte. Auch ihr vertraute ich nicht und so hatte sie schnell genug von mir.
Endlich, da war sie – die liebevolle Stimme! Was habe ich mich gefreut! Doch leider durfte ich wieder nicht bei ihr bleiben und sie lieferte mich bei einer Familie mit kleinen Menschen und einem anderen Artgenossen ab. Alle waren sehr nett zu mir, ich traute mich immer etwas mehr und schließlich sah ich ein, es war dumm vor allem eine solche Angst zu haben.
Es dauerte nicht lange, dann sagte meine Pflegemama, ich dürfe für immer bleiben. Was war ich froh, nun hatte ich auch eine Familie, aber die Frau mit der netten Stimme vermisste ich immer noch. Ob sie wohl auch ab und zu an mich dachte?
Leider hielt mein Glück nicht lange an, es wäre ja auch zu schön gewesen. Die Stimmung wurde eisig, die Stimmen lauter, eines Tages war mein Hundekumpel weg, den ich nie mehr wieder gesehen habe. Der Mann war dann auch fort und mein Frauchen ließ mich immer öfter alleine in der Wohnung. Gassi gehen wurde immer seltener und tagelang, wochenlang saß ich alleine in der Wohnung, oft gab es nicht einmal Futter.
Das sollte Familie sein? Was meinte die Frau mit der lieben Stimme mit “alles wird gut”? Hier war gar nichts gut. Ich war allein, hatte Hunger und war schon ganz abgemagert. Warum durfte ich nicht bei Michael bleiben? Warum hat mich die Frau mit der lieben Stimme hier abgegeben?
Wofür hatte ich damals, als ich so krank war gekämpft?
Da war sie wieder, die Stimme, die ich nicht vergessen konnte. Sie hörte sich zwar nicht so lieb an, wie ich sie in Erinnerung hatte, im Gegenteil, sie klang knallhart, aber sie war da.
Die Tür ging auf und da war sie, meine Petra, die mich nicht vergessen hatte, die mich in den Arm nahm und ihre Stimme war wieder so freundlich, wie ich sie in Erinnerung hatte. Sie nahm mich mit und ich beeilte mich, schnellstens mit ihr dieses einsame Gefängnis zu verlassen.
Leider durfte ich wieder nicht bei meiner Petra bleiben. Ja, es war “meine” Petra, denn das hatte ich für mich beschlossen. Aber ich war nicht weit weg von ihr, nur im Nachbarhaus, leider, denn viel lieber wäre ich direkt bei ihr gewesen. Jeden Tag durfte ich mit ihr und einem ganzen Hunderudel Gassi gehen und wie gerne hätte ich ganz zu ihnen gehört. Ich nutzte jede Gelegenheit auszubüchsen um dahin zu gehen, wo ich mich so wohl fühlte, zu Petra!
Eines Tages hatte ich es geschafft, die Nachbarin hatte von mir genug und endlich hatte Petra begriffen, dass ich zu ihr wollte, zumindest glaubte ich das und da war ich dann erst einmal.
Ich habe nie verstanden, warum sie immer wieder sagte, sie wolle eine liebe Familie für mich suchen. Ich wollte doch gar keine liebe Familie, ich wollte die Familie, die ich nun hatte.
Wieder war es so weit – ich wollte schon gar nicht mehr im Auto fahren. Wieder wollte mir eine Familie angeblich ein schönes Zuhause geben. Warum wurde ICH nie gefragt?
So schnell, wie wir bei dieser Familie angekommen waren, so schnell waren wir auch wieder weg. Hier passte gar nichts, aber auch wirklich nichts, was war ich froh, dass Petra mir das nicht antat und das auch sofort bemerkt hatte.
Endlich, sie hatte es begriffen! Meine Petra hatte endlich kapiert, dass ich zu ihr gehörte, zu ihr, “meinem” Hunderudel, zu “meiner” Familie. Warum hat sie nur so lange gebraucht? Hier war und ist mein Platz, mein Zuhause und dafür hatte es sich gelohnt zu kämpfen. Jetzt weiß ich, was “Familie” ist und DIESE Familie, die jetzt MEINE Familie für alle Zeiten ist, das ist was Schönes, hier bin ich glücklich!
War es Schicksal, dass mich niemand haben wollte und dass ich immer bei den falschen Menschen landete?
Meine liebe Familie, ich bin Euch unendlich dankbar, dass Ihr mich gerettet habt!!!
Euer auf ewig treuer Raiko