Ein schlechter oder glücklicher Start ?
Jule wurde irgendwann im Frühjahr 2008 geboren, wahrscheinlich auf irgendeiner Strasse in irgendeinem Ort in Rumänien.
Das Leben eines Strassenhundes, oder wie wir sie lieber nennen, Streuners ist dort nicht schön, jeglicher Witterung, oder dem Gutwillen der Anwohner ausgesetzt zu sein. Manches Leben ist dort schon verloren bevor es richtig anfängt. Vielleicht war es Schicksal, Glück oder eine Fügung, daß sie dort gefangen und in die Smeura kam. Viele Streuner landen dort und kommen nie wieder heraus, aber das Schicksal meinte es gut mit diesem jungen Hund und sie wurde adoptiert, kam nach Deutschland in eine Familie und lebte dort 7 Jahre lang.
Die ersten Jahre
Aus diesem ersten Leben ist nicht soviel bekannt, man weiß nicht ob sie geliebt wurde, ob es ihr wirklich gut ging, man kann nur Vermutungen anstellen.
(Für mich persönlich, was ich aus meiner kurzen Zeit mit Jule vermute, kann es nicht immer positiv gewesen sein. Das ist das was ich anhand der Verhaltensweisen herauslese. Vielleicht irre ich mich auch, ich hoffe es für diesen Hund, denn sie hätte die erste Zeit in ihrem Leben genau die gleiche Fürsorge, Liebe, Zuneigung und Zuwendungen verdient gehabt, wie in ihrer zweiten Lebensspanne.)
Aber leider schlug das Schicksal wieder zu und ihr Frauchen starb, man konnte sie nicht behalten, oder man wollte nicht, müssig darüber zu spekulieren. Es wurde also eine neue Bleibe gesucht.
Ein neues Frauchen und viel Misstrauen
Im Frühsommer 2015 wurde ein neues Zuhause für Jule gefunden, ein neues Frauchen, die schon immer tierlieb war und auch heute noch ist, sie ließ das Schicksal der Hündin nicht los und sie nahm sich ihrer an.
Konnte man erwarten, daß es schwierig werden würde, bestimmt, aber so schwierig, das hätte glaube ich niemand vermuten können. Es fing mal gleich damit an, daß sie sofort zum Tierarzt musste. Das war sogar gleich am ersten Tag, schlechter hätte es eigentlich nicht laufen können, Probleme mit den Analdrüsen, super.
Also das hieß eincremen jeden Tag und dann bei einem Hund, der noch nicht vertraut, vieles nicht kennt und von Anfang an sehr misstrauisch und verunsichert war. Anfassen lassen wollte sie sich natürlich auch nicht. Es kam wie es kommen musste, der erste Beißvorfall ließ nicht lange auf sich warten. Sicher wurde auch mit Maulkorb gearbeitet, aber wenn ihr etwas gegen den Strich ging, kam die Bewegung nach vorne und nicht nach hinten.
Etwa zu diesem Zeitpunkt lernten wir beide kennen, ich weiß nicht warum, aber ich hatte von Anfang an das Gefühl einen ganz besonderen Hund vor mir zu haben, ja sie war immer mit einem Knurren und Bellen unterwegs, aber trotzdem sah ich etwas in ihr, das mich berührte.
Wie es halt so ist, man konnte Jule nirgends mit hinnehmen, sie hatte anscheinend nie gelernt, Treppen zu laufen, im Fahrstuhl zu fahren, Geschäfte waren auch tabu. Es lag also viel Arbeit vor Jule und ihrem Frauchen. Aber es kam der Tiefpunkt als Inge (so heisst ihr Frauchen) das dritte mal gebissen wurde. Zu diesem Zeitpunkt wollte sie sie zurückgeben, aber die Familie wollte sie nicht zurück, also wäre nur das Tierheim in Frage gekommen. Aber das hätte sie nicht übers Herz gebracht. Also machte sie tapfer weiter, liess sich in den kommenden Jahren insgesamt noch drei mal beissen. Holte sich Rat von allem und jedem, der ihr helfen konnte. Und es wurde besser, nach ca 2 Jahren war sie endlich angekommen. Sie durfte alles mit ihrem Hund machen. Was vorher nicht ging, stellte jetzt kein Problem mehr dar. Salbe?, Kein Problem, es reicht die Tube zu zeigen und sie reckt den Hintern hin, Man kann überall mit Jule hingehen, sie ist immer brav und gehorsam. (Naja, meistens zumindest. Aber das ist ja auch normal, wir wollen doch keine dressierten Hunde, sie sollen ja auch noch ihren eigenen Charakter behalten)
Sie macht Blödsinn, versucht ihr Frauchen auszutricksen und auch an der Nase herumzuführen in bestimmten Situationen, wie es wahrscheinlich jeder intelligente Hund machen würde um das zu bekommen, was Hund will. Aber dafür lieben wir sie ja auch, weil sie so sind wie sie sind.
Die beiden sind ein tolles Gespann, sind oft unterwegs, Jule hat in dieser Zeit viele Erfahrungen und Reisen mit Inge unternommen. Nach Frankreich, Österreich zuletzt sogar nach Ungarn. Wochenlang waren die Zwei unterwegs und nichts konnte sie aufhalten, bis jetzt.
Schöne Zeiten und meine Verbindung zu Jule.
Tja, das war ein kurzer Überblick, den ich gesagt oder geschrieben bekam von Inge.
Wir kennen uns jetzt schon 5 Jahre, oder sollte ich sagen erst?
In dieser Zeit lernte ich diesen Hund kennen und lieben, ich sah von Anfang an etwas, das ich nicht erklären kann. Inge sagt immer ich wäre Jules Lieblingsmensch. Vielleicht ist es wirklich so, daß sie auch so eine Verbindung zu mir hat wie meine Abby, die mein Seelenhund ist, die mich aus einem tiefen Loch geholt hat, damals vor 7 Jahren, als ich sie fand. Jule ist genauso mein Seelenhund, obwohl sie nicht mein Hund ist. Das spielt keine Rolle, ich weiß noch als sie das erste mal bei uns übernachtete, wie schnell sie zur Ruhe kam, wie schnell sie begriff, dass ihr bei uns nichts passieren würde. Egal was wir taten, sie versuchte immer alles richtig zu machen. Man konnte ihr es wirklich ansehen, wenn sie mit ihren Blicken fragte, ob sie das jetzt darf. Egal bei was, beim Spielen, oder wenn sie ein Leckerchen bekam, da war immer dieser fragende Blick, ob es in Ordnung ist. Wenn sie schlief und jammerte, träumte, musste ich ihr bloß meine Hand auf die Seite legen und sie wurde immer ruhig und entspannte sich.
Vor nicht allzu langer Zeit waren wir spazieren, kamen aus dem Wald gefahren. Leider hatten wir keine Zeit. Ich sah nur aus dem Augenwinkel, daß Inge mit Jule unterwegs war, Im Rückspiegel sah ich dann wie sie mir hinterher wetzte. Sie hatte unser Auto erkannt. War es jetzt wegen Abby und Feli , die ja ihre Freundinnen sind, oder wegen uns, denn Iris liebt sie ja mittlerweile auch. Vor allem wenn sie gestreichelt wird, dann reagiert man ja sowas von eifersüchtig, wenn sich ein anderer Hund nähert, auch wenn es die eigenen sind. Aber wir wissen ja wie sie ist und wir nehmen sie auch so. Auf jeden Fall meinte ich sie wäre dann stehen geblieben, aber weit gefehlt. Zuhause angekommen dauerte es keine 5 Minuten und sie stand vor unserem Gartentor und jammerte. (Nur zur Beruhigung wir wohnen am Waldrand und das war keine befahrene Strasse) Nach 15 Minuten kam dann ihr Frauchen und war etwas säuerlich, da sie eigentlich auch keine Zeit gehabt hätte. Aber sie war nicht mehr zu bremsen gewesen.
Wir haben schon viele Spaziergänge gemacht, mit viel Spaß, Steicheleinheiten, spielenden Hunden (ist immer schön mit anzusehen). Ich hatte mich auch darauf gefreut sie wieder mal über Nacht bei uns zu haben.
Jule ist jetzt 12 Jahre alt, hat ihr endgültiges Zuhause gefunden, ist endlich da angekommen, wo sie geliebt wird, wo sie ihre Freunde hat. Ist eigentlich ein Glückspilz wie er im Buche steht, es sollten noch ein paar schöne Jahre folgen, das wünsche ich jedem Tier, das angekommen ist, aber leider soll es nicht sein. Leider hat das Schicksal wieder zugeschlagen. Es ist ihr wieder nicht vergönnt all das noch etwas zu geniessen. Vor 4 Wochen wurde Krebs diagnostiziert, ein schnell wachsender Tumor, die Prognose ist niederschmetternd und jetzt hat er gestreut. Ich weiß nicht wie lange sie noch bei uns sein wird.
Ich wollte sie hier vorstellen, weil sie ein ganz besonderer Hund ist, teilweise ein Glückspilz, da sie am Ende doch ihr Zuhause und ihre Menschen gefunden hat. Jule sollte nicht vergessen werden, auch um zu zeigen was man alles mit Liebe, Geduld und Mut erreichen kann, auch wenn man schon nicht mehr daran glaubt.
Ich kann nur jedem den Rat geben nicht aufzugeben, es kann am Ende etwas wunderbares und einzigartiges herausspringen.
Julchen, ich habe dich unheimlich lieb. ich werde dich nie vergessen, auch wenn du bald die Reise über die Regenbogenbrücke antrittst.
Ich hab Dich lieb, meine Kleine.
Mario
Nachtrag am 26.08.2020:
Als ich das heute Mittag geschrieben habe, ahnte ich noch nicht daß es ein Nachruf werden sollte. Wir haben dich auf deiner Reise so lange begleitet wie wir konnten, den Weg über die Brücke musstest du nun alleine bestreiten, aber wir waren bei Dir bis zum Schluß und du durftest ohne Schmerzen einschlafen. Du hast in deinem Garten deine letzte Ruhestätte gefunden.
Run free, mein kleines Julchen. Du wirst uns allen sehr fehlen. Du wirst immer einen ganz speziellen Platz in meinem Herzen haben.
Es vermissen Dich
Dein Frauchen Inge,
Mario, Iris, Abby & Feli